Der Fachkräftemangel ist ein altbekanntes Problem. Schon bei der Konzeption von QuABB 2009 war das Programmziel, die Zahl der Ausbildungsabbrüche in Hessen zu senken, als Maßnahme zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses gedacht. Dass Schulabgänger*innen immer öfter ein Studium beginnen, während die duale Ausbildung bei jungen Menschen an Attraktivität verliert, ist für deutsche Betriebe längst zum bedenklichen Trend geworden. Mit der Corona-Pandemie, der wirtschaftlichen Verunsicherung und Beanspruchung vieler Betriebe hat er sich noch einmal verschärft. Denn nun sank die Anzahl abgeschlossener Ausbildungsverträge auch aufgrund eines rückgängigen Stellenangebots auf Unternehmensseite. Aktuelle Studien bestätigen, dass sich das Problem seit 2019 zugespitzt hat.
Es gibt allerdings nicht nur schlechte Nachrichten. So berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft, dass Unternehmen in typischen Engpassberufen ihr Ausbildungsengagement seit 2013 deutlich erhöht haben. Mit dem gesteigerten Angebot an Ausbildungsplätzen legen sie den Grundstein dafür, dass der Fachkräftemangel in diesen Branchen verringert werden kann. Das Ausbildungsstellenangebot ist jedoch nur einer von zwei Faktoren, die den Fachkräftenachwuchs beeinflussen. Nur wenn sich auch genug Interessent*innen für die angebotenen Ausbildungsstellen finden, kann der Negativtrend abgefangen werden. Hier liegt das eigentliche Problem der nachwuchsschwachen Berufe: Die Zahl der Ausbildungssuchenden ist nicht in ähnlicher Weise gestiegen wie die der Ausbildungsplätze. Der Fachkräftemangel stellt sich also zunehmend als Matching-Problem dar. Ausbildungsinteressierte, die unversorgt bleiben, suchen nicht nach den Ausbildungsstellen, die unbesetzt bleiben.
Eine direkte Konsequenz aus diesem Befund lautet, dass die entsprechenden Berufe attraktiver werden müssen. Die Allianz für Aus- und Weiterbildung hat aus diesem Grund die Kampagne #AusbildungSTARTEN mit dem „Sommer der Berufsausbildung“ ins Leben gerufen. Das Programm soll mit zahlreichen Informationsveranstaltungen und Beratungsangeboten für die duale Ausbildung werben und wird von zahlreichen Projekten der Akteure der Ausbildung flankiert. Gleichzeitig macht aber jede unbesetzte Ausbildungsstelle den Erfolg der laufenden Ausbildungen unverzichtbarer für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Aus den zunehmenden Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt leitet sich also ein Auftrag für die Ausbildungsbegleitung ab. Die Daten aus der Dokumentation der Beratungsarbeit in QuABB geben Auskunft über den Verlauf kriselnder Ausbildungsverhältnisse in nachwuchsschwachen Berufen in Hessen.
Laut Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit sind in Hessen die Bereiche Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik sowie Tiefbau am stärksten von der Fachkräfteknappheit betroffen. Vor allem aus dem Beruf Anlagenmechaniker*innen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik wenden sich auch zahlreiche Auszubildende an QuBB: seit 2015 insgesamt 402 Auszubildende. 388 dieser Fälle sind inzwischen abgeschlossen. 83,25 % der begleiteten Auszubildenden befanden sich drei Monate nach Austritt noch in Ausbildung, 4,38 % hatten ihre Ausbildung zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich beendet. Daraus ergibt sich eine Erfolgsquote von 88 %, die nicht nur erfreulich hoch ist, sondern auch über dem Gesamtschnitt aller Begleitungen im selben Zeitraum (84 %) liegt.
Dabei kommen die Anlagenmechaniker*innen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik nicht selten mit akuten oder eskalierten Problemen in die Beratung. Bei 11 % war bereits eine Kündigung erfolgt, bei weiteren 20 % stand eine Kündigung bevor. Die Ursachen lagen vor allem im Betrieb und in der Berufsschule. In beiden Bereichen beschrieb die Hälfte der Ratsuchenden Schwierigkeiten. Nur ein Drittel nannte dagegen persönliche Probleme, die den Ausbildungserfolg gefährdeten. Erwähnenswert ist, dass Probleme, die auf mangelhafte Attraktivität der Ausbildung schließen lassen, nicht häufiger angegeben wurden als von Auszubildenden in anderen Berufen. Unzufriedenheit mit den Arbeitszeiten (8 %) oder mit der Ausbildungsqualität (16 %) scheinen wie auch in anderen Berufen untergeordnete Gründe für (drohende) Vertragslösungen zu sein. Die häufigsten Probleme der Ratsuchenden sind Konflikte im Betrieb, ungenügende schulische Leistungen und Sprachprobleme. Konflikte im Betrieb scheinen den Ausbildungserfolg dabei besonders stark zu gefährden: Diejenigen Anlagenmechaniker*innen, deren Ausbildung nicht stabilisiert werden konnte, hatten doppelt so oft Konflikte im Betrieb geschildert wie Ratsuchende aus demselben Beruf, die erfolgreich unterstützt werden konnten.
Konflikte am Arbeitsplatz sind kein strukturelles Problem einzelner Branchen – auch wenn sie in bestimmten Berufen häufiger entstehen können, beispielsweise dort, wo Mitarbeitende besonders lange und besonders eng zusammenarbeiten. Reibungen zwischen Vorgesetzten und Auszubildenden oder unter Kolleg*innen werden sich aber nicht durch Maßnahmen verhindern lassen, die auf die Attraktivität und die Zukunftsfähigkeit eines Berufs zielen. Solange der Fachkräfteengpass fortbesteht und durch strukturelle Faktoren wie den gesellschaftlichen Wandel noch verschärft wird, braucht es neben langfristigen, präventiven Maßnahmen Angebote, die bestehende Ausbildungsverhältnisse sichern und Mitarbeitende langfristig binden. Deswegen führt auch das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur in einer neuen Publikation für das Hessische Sozialministerium QuABB als Maßnahme zur Fachkräftebindung auf.
Die allermeisten Probleme, mit denen die 402 angehenden Anlagenmechaniker*innen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik die Beratung von QuABB aufsuchten, lassen sich lösen. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich können aber schon kleine Probleme binnen weniger Wochen so weit eskalieren, dass es zum Bruch kommt, der zum Ausbildungsabbruch führen kann. Fachkräfte zu sichern, heißt daher gerade heute auch, Ausbildungsverhältnisse zu stabilisieren. |