Beziehungspflege und Feedback - über den wertschätzenden Umgang mit Auszubildenden
von Claudia Lehmann, Ausbildungsbegleiterin
Ziele moderner dualer Berufsausbildung sind neben der Beherrschung der elementaren Fachlichkeit auch übergeordnete Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Gewissheit über die eigene Selbstwirksamkeit. Betriebe wünschen sich zudem eine hohe Leistungsbereitschaft und Zuverlässigkeit sowie die Einhaltung allgemeingültiger und betriebsinterner Regelungen und eine möglichst rasche Eingliederung in die innerbetrieblichen Abläufe.
Der Übergang in die duale Berufsausbildung jedoch stellt für die meisten Auszubildenden einen harten Einschnitt in ihr bisheriges, vom Schulalltag geprägtes Leben dar. Sie haben häufig nur diffuse Vorstellungen davon, was sie nun in der Berufswelt konkret erwartet, mit welchen Anforderungen sie konfrontiert werden. Eine ausgeprägte Willkommenskultur im Unternehmen[1], die die Auszubildenden in ihrer anfänglichen Unsicherheit auffängt, erleichtert ihnen den gelungenen Einstieg in die Ausbildung.
Für eine dauerhaft erfolgreich verlaufende Ausbildung brauchen Auszubildende unbedingt eine wertschätzende, anregende Ausbildungsumgebung und bedeutungsvolle, klar definierte, verständliche Aufgaben. Genauso wichtig sind verlässliche persönliche Beziehungsstrukturen zu Ausbilderinnen und Ausbildern. Diese ermöglichen einen positiven Ausbildungsverlauf, auch über etwaige Krisen hinweg.
Auszubildende schätzen eine deutliche Präsenz und klare Worte der Ausbildenden, egal, ob es sich um Lob oder um konstruktive Kritik handelt. Zudem kann zwischendurch einmal ein freundliches, auf die persönliche, private Ebene der Auszubildenden bezogenes Wort durchaus kleine Wunder bewirken. Je offener die Kommunikation zwischen Ausbilder bzw. Ausbilderin und Auszubildenden gestaltet wird und je stärker sich die Auszubildenden auch als Person gesehen und angenommen fühlen, desto höher wird die Identifikation mit dem Ausbildungsbetrieb sein. Dieser Effekt steigert sich noch, sofern den Auszubildenden gestattet wird, ihrerseits konstruktive Kritik an Ausbildungsabläufen oder Ausbildungspersonal zu üben. Offenheit schafft Vertrauen, dies bestätigen die Auszubildenden in unserer Beratung immer wieder.[2]
Ausbilder und Ausbilderinnen sollten eine veränderte Form der Präsenz und eine "Neue Autorität"[3] darstellen, sollten zugleich unterstützend, orientierend und strukturbildend auf die Auszubildenden einwirken. Folgende Tabelle verdeutlicht diesen Wandel in der Rolle der Ausbildenden:
Tradierte Autorität | Neue Autorität |
---|---|
Distanz | Nähe |
Kontrolle | Selbst-Kontrolle |
Hierarchie | Netzwerk |
Unmittelbare Reaktion | Beharrlichkeit |
Vergeltung | Wiedergutmachung |
Immunisierung gegen Kritik | Transparenz |
Lob und Strafe | Beziehungsgesten |
Insbesondere wichtig für Auszubildende sind:
- Anleitung und Begleitung,
- Würdigung,
- schrittweise Übergabe von Verantwortung,
- regelmäßige, klare Rückmeldungen (Feedback) zu ihren Leistungen und ihrem Verhalten auf allen Ebenen.[4]
Feedback - wozu eigentlich?
Rückmeldungen der Ausbilderinnen und Ausbilder sind zentrale Elemente innerhalb der Ausbildung. Die Feedback-Kultur des Ausbildungsbetriebes ist insofern für den Ausbildungserfolg mitentscheidend und ausschlaggebend. Regelmäßiges Feedback gibt den Auszubildenden Sicherheit und Struktur und beugt so Konflikten vor.[5]
Feedback - wann und wie oft?
Reden Sie regelmäßig mit Ihren Auszubildenden. Wiederkehrende Anlässe für Feedbackgespräche sind:
- Rückmeldungen zu konkreten Aufgabenstellungen:
- Auszubildende haben eine komplexe Aufgabe beendet, sie stellen dazu Fragen oder bitten um Unterstützung.
- Sie erläutern, inwieweit die Anforderungen an die Aufgabe durch ihre Auszubildenden erfüllt wurden, und präzisieren gegebenenfalls Ihre Anforderungen.
- Sie sind mit einer aktuellen konkreten Arbeitsqualität oder einem Verhalten ihrer Auszubildenden nicht zufrieden.
- Ihnen fallen anhaltende Verhaltensänderungen bei den Auszubildenden auf, die auf Probleme hinweisen könnten.
- Sie lassen sich regelmäßig die Ausbildungsnachweise (Berichtsheft) vorlegen und sprechen dabei über die Arbeitsqualität und -zufriedenheit Ihrer Auszubildenden.
- Sie gratulieren zur bestandenen Probezeit, lassen die vergangenen Monate Revue passieren und machen gemeinsam einen Ausblick in künftige Ausbildungsphasen.
- Sie führen in einem bestimmten Zeitraum Routinegespräche, etwa einmal im Quartal.[6] Die Themen werden durch den jeweiligen Ausbildungsabschnitt bestimmt. Zu Ausbildungsbeginn wird es eher um das Hereinfinden in den Betrieb und die Strukturierung innerhalb der Ausbildung gehen, später um Leistungsverlauf und Prozessbegleitung, zum Ende hin vorwiegend um die Abschlussprüfung.[7]
Vorteile von regelmäßigen Gesprächen:
- Gespräche werden zur Selbstverständlichkeit, zur Normalität und sind deshalb von den Auszubildenden nicht mit Angst belegt. Das schafft die notwendige Offenheit für Lern- und Veränderungsprozesse.
- Sie und Ihre Auszubildenden lernen sich gegenseitig besser kennen und können sich mit der Zeit besser verstehen. Sie gewinnen Sicherheit im Umgang miteinander.
- Sie können den jeweiligen Entwicklungsstand und die Stärken Ihrer Auszubildenden besser einschätzen.
- Sie können schneller nachsteuern, falls mal etwas nicht so läuft wie gewünscht.
- Sie bemerken fachliche Schwächen Ihrer Auszubildenden frühzeitig und können entsprechende Maßnahmen zeitnah anwenden, etwa betriebsinternen Förderunterricht oder über die Agentur für Arbeit geförderten Stützunterricht im Rahmen von ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH)[8].
Feedback - wie geht das?
Am wirkungsvollsten ist Feedback, wenn es wechselseitig stattfindet.[9] Wenn Sie es zulassen, dass Ihre Auszubildenden auch Ihnen Feedback geben, können Sie sich eher in deren Auszubildenden-Perspektive versetzen und viel zuverlässiger ermessen, was diese brauchen, warum sie sich so verhalten, wie sie es tun.
Regeln für das Feedback-Geben
- Sorgen Sie für eine angenehme Gesprächsatmosphäre an einem ungestörten Ort.
- Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor; legen Sie eine Reihenfolge Ihrer Themen fest. Sprechen Sie immer auch positive Punkte an.
- Setzen Sie Gesprächsschwerpunkte. Machen Sie sich klar, was Sie in Erfahrung bringen und welche Botschaft Sie übermitteln wollen.
- Äußern Sie sich verständlich, klar und eindeutig.
- Verallgemeinern und interpretieren Sie nicht. Beziehen Sie sich auf konkrete Beobachtungen und Verhalten der Auszubildenden. Bewerten Sie nur, wenn es unbedingt erforderlich ist, etwa im Beurteilungsgespräch. Machen Sie dann Ihre Beurteilungskriterien transparent.
- Erläutern Sie realistische Erwartungen an die Leistungen oder das Verhalten Ihrer Auszubildenden für die Zukunft.
- Laden Sie Ihre Auszubildenden ein, Ihnen als Ausbilder bzw. Ausbilderin ehrliches Feedback zu geben. Besprechen Sie vorher die Feedback-Regeln.[10]
Regeln für Feedback-Nehmen
- Hören Sie konzentriert zu und lassen Sie die Feedback-Gebenden aussprechen.
- Wenn Sie unsicher sind, ob Sie etwas richtig verstanden haben, fragen Sie nach, bitten Sie um Erläuterungen oder Beispiele. Vergewissern Sie sich: "Habe ich das so richtig verstanden?"
- Erklären, entschuldigen oder rechtfertigen Sie sich nicht.
- Nehmen Sie Lob an.
- Sagen Sie, wenn Sie den Eindruck haben, dass nur Negatives zur Sprache kommt.
- Überlegen Sie für sich, was von dem Gehörten Sie annehmen können und wollen.[11]
Nachbereitung eines Feedbackgesprächs - Selbstreflexion
- Wie habe ich mich vorbereitet?
- Welche unerwarteten Situationen sind eingetreten?
- Was ist so gelaufen wie erwartet? Was ist gut gelaufen?
- Was hätte ich anders machen können?
- Wie habe ich mich beim Gespräch gefühlt?
- Was habe ich vermisst?
- Was hat es mir gebracht?
- Was mache ich beim nächsten Gespräch genauso, was anders?[12]
Wie hier deutlich wird, kostet die dauerhafte Beziehungspflege zu Ihren Auszubildenden Zeit. Zeit, die zu investieren sich letztlich jedoch auszahlen wird, denn nur so lernen Sie Ihre Auszubildenden wirklich kennen. Sie werden dann zuverlässiger auch bereits schwache Signale[13] wahrnehmen, die auf eine längerfristige Unstimmigkeit oder Probleme im Ausbildungsverlauf hinweisen. Sie können also frühzeitig etwaigen Schwierigkeiten begegnen; damit beugen Sie proaktiv einem Ausbildungsabbruch vor.
[1] Vgl. Koisser, Carola (in dieser Ausgabe): Interview zum Thema Ausbildungsbeginn mit Frau Bernhard (August TRUSS GmbH & Co. KG).
[2] Vgl. hierzu auch Clement, Ute u. a. (2011): Gelingendes Vertrauensmanagement. Ein Indikator für Qualität in der betrieblichen Ausbildung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik 21. Online im Internet: www.bwpat.de/ausgabe21/clement_etal_bwpat21.pdf [24.04.2014], S. 10 ff.
[3] Vgl. Körner, Bruno/Lemme, Martin (2010): Neue Autorität als Haltungs- und Handlungskonzept im eigenen professionellen Handeln. In: Systhema 3 (2011), hier: S. 205-217. Online im Internet: if-weinheim.de/fileadmin/dateien/systhema/2011/03-2011/Systhema_3_2011_Koerner_Lemme.pdf [24.04.2014].
[4] Clement, Ute (2012): Ehrbare Berufe für coole Jungs. Wie Ausbildung für schwache Jugendliche gelingen kann. Weinheim/Basel, Seitenzahl??.
[5] Vgl. Widorski, Dagmar u. a. (2012): Lernenden fördernd Feedback geben. Ein interaktives Arbeitsinstrument für Berufsbildungsverantwortliche und Lehrpersonen. Bern: hep, S. 67.
[6] Vgl. ebd., S. 68.
[7] Vgl. Viereck, Eckhard et al. (2013): Werkzeugkoffer Betriebliche Ausbildung. Offenbach: INBAS GmbH, S. 94f.
[8] Vgl. Widorski (2012), S. 68.
[9] Vgl. Hattie, John (2013); zitiert bei: Höfer, Dieter/Steffens, Ulrich: Lernprozesse sichtbar machen - John Hatties Forschungsarbeiten zu gutem Unterricht. Welche Relevanz haben sie für Schulen in Deutschland? Online im Internet: www.visiblelearning.de/wp-content/uploads/2013/04/Hattie_Veroeff_Persp_3a_Uebertragb_2013-02-20.pdf [16.05.2014].
[10] Vgl. Widorski (2012), S. 70f.
[11] Ebd., S. 71
[12] Ebd.
[13] Vgl. Djafari, Nader: Schwache Signale (in dieser Ausgabe).