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Auszubildende motivieren - So gelingt's!

von Mario Kurätzki, Ausbildungsbegleiter

In Zeiten mangelnder Fachkräfte wird das Thema Motivation immer wichtiger. Wollte eine Ausbilderin oder ein Ausbilder in früheren Jahren Auszubildende dazu bringen, mehr Motivation und Arbeitsmoral zu entwickeln, dann reichte es, aus dem Fenster zu deuten und bedeutungsschwanger festzustellen, dass da draußen viele andere darauf warten, den Job zu übernehmen. Wenn aber Fachkräfte fehlen, wird diesem (sehr schlechten) Argument die Grundlage entzogen. Wie kann heute ein Arbeitgeber Jugendliche motivieren?

Die klassische Bemühung, Auszubildende zu motivieren, besteht in den meisten Unternehmen, ob groß oder klein, in einer Version von "Zuckerbrot und Peitsche": Belohnung, wenn etwas gut läuft, Bestrafung, wenn es nicht gut läuft. Oftmals ist fehlende Bestrafung sogar genug Belohnung. Interessanterweise hat die Motivationsforschung schon vor vielen Jahren festgestellt, dass dieses "Gesellschaftsspiel" in den meisten Fällen keinen Zuwachs an Motivation bzw. an Arbeitsleistung hervorruft. Im Gegenteil: Es kann sogar Leistung hemmen.[1] Es ist nun eine Frage, warum diese Erkenntnisse, die gar nicht so neu sind, nicht wahrgenommen werden. Aber das soll uns jetzt erst einmal nicht interessieren. Die spannendere Frage ist: Wie motiviere ich richtig? Wie kann ich langfristig meine Auszubildenden zu höheren Leistungen und mehr Engagement anspornen und an mein Unternehmen binden? Fachkräftemangel bedeutet nicht nur, dass es schwieriger wird, gute Mitarbeiter zu finden, es bedeutet auch, dass gute Mitarbeiter verloren gehen. Umso wichtiger wird in diesem Rahmen die Ausbildung. Prinzipiell gilt, dass das Motivieren Auszubildender sich nicht grundsätzlich vom Motivieren langjähriger Mitarbeiter unterscheidet. Und je früher ein Arbeitgeber damit anfängt, desto attraktiver wird er. Je attraktiver er wird, desto mehr Personen werden sich für ihn interessieren. "Mehr Geld!", höre ich die ersten Zwischenrufer rufen. "Geld motiviert immer!" In der Tat. Finanzielle Zuwendungen sind starke Motivatoren.

Genau so wie in der Geschichte von den Schülern, die auf dem Nachhauseweg immer am Haus eines alten Mannes vorbeikamen, der auf einer Bank vor dem Haus saß. Und wie er so dasaß, das Kinn auf seinen Stock gestützt, die wenigen grauen Haare im Wind wehend, da gefiel es den Schülern, den alten Mann zu beleidigen. Kein Schimpfwort war zu obszön, das sie ihm entgegen warfen, und sie kringelten sich vor Lachen, wenn der alte Mann drohend seinen Stock hob und sich irgendwann resigniert ins Haus zurückzog. So ging das Tag für Tag. Waren es erst drei Schüler, wuchs die Gruppe auf fünf, sechs, die dieses grausame Spiel trieben. Und der alte Mann ärgerte sich und wusste keinen Rat. Bis er eines Morgens eine Idee hatte. Als die Gruppe Schüler wieder nach Schulschluss am Garten vorbeikam und sich bereit machte, den alten Mann zu beschimpfen, da stand er belustigt auf und trat auf die Schüler zu. Die waren ihrerseits belustigt. Wollte der alte Mann sie mit seinem Stock schlagen? Er war doch viel zu langsam. Und sie waren sechs, er nur ein alter, fahriger Rentner. Als der alte Mann endlich auf seinem Ende des Gartenzauns angelangt war, sagte er: "Ich finde das richtig großartig, dass ihr mir so viel Aufmerksamkeit schenkt. Dafür bekommt ihr alle auch einen Euro." Er holte seinen Geldbeutel aus der Tasche und gab jedem der Schüler tatsächlich einen Euro. Dann winkte er ihnen freundlich zu und trabte wieder langsam seiner Bank zu. Die Schüler schauten sich verdutzt an. Was sollte das jetzt? Wie dumm musste der alte Mann sein, dass er ihnen allen einen Euro gab, weil sie ihn derb beschimpften. Er war nicht nur alt, er musste auch vollkommen geisteskrank sein. Die Verdutztheit wich schallendem Lachen und der stillschweigenden Übereinkunft, den alten Mann am nächsten Tag natürlich wieder auszunehmen. Und so war es auch. Am nächsten Tag standen die Schüler wieder am Zaun. Sie hatten ein paar weitere Kameraden gefunden, die die Aussicht auf mögliches Extra-Taschengeld lockte. So standen sie da und schimpften mit voller Inbrunst. Sie legten noch eine Schippe drauf, als sie sahen, dass der alte Mann nach seiner Gesäßtasche griff, in der sich sein Geldbeutel befand. Jeder bekam einen Euro, und alle Schüler lachten sich ins Fäustchen. Genauso wie am nächsten Tag. Und am übernächsten. Eines weiteren Tages, als etwa zwanzig Schüler am Zaun standen und schimpften, da lächelte der alte Mann etwas weniger. Er griff wieder zu seinem Geldbeutel, schaute hinein, sah die Schüler an, die ihrerseits den alten Mann ansahen und das fehlende Lächeln bemerkten. "Leider kann ich euch heute allen nur fünfzig Cent geben, mir geht die Rente aus", sagte er mit tränenerstickter Stimme. Das Beschimpfen der Schüler ebbte etwas ab, als sie merkten, dass sie heute nicht den erhofften Euro bekommen würden. Die Aussicht, nur noch die Hälfte zu bekommen, veranlasste einige junge Leute zu der Bemerkung, er solle sich doch gefälligst selbst beschimpfen, sie wären jedenfalls morgen nicht mehr dabei. "So kann ich nicht arbeiten", bemerkte einer der Jungen, die von Anfang an dabei waren, den Alten zu beschimpfen. Sie nahmen zwar alle die fünfzig Cent, trabten aber etwas belämmert davon. Am nächsten Tag, als der alte Mann wieder in der Herbstsonne saß und versonnen über den Gartenzaun blickte, da trabten die Schüler missmutig an seinem Gartenzaun vorbei, nur einer streckte verärgert die Zunge heraus, und der alte Mann winkte lächelnd zurück. Seitdem beschimpfte ihn niemand mehr und er saß noch viele Jahre glücklich und zufrieden vor seinem Haus.

Geld motiviert! Kurzfristig. Also verdoppeln Sie die Gehälter und machen das auch mit den Ausbildungsvergütungen. Prompt haben Sie motivierte Mitarbeiter. Leider ist das aber eher eine weitere Variante der klassischen Straf- und Belohnungstaktik. Und wie fast alle Varianten dieses Spiels, gibt es da fast nur Verlierer. Abgesehen davon, dass Sie kaum finanziell in der Lage sein werden, dieses Spiel dauerhaft zu betreiben. Wer immer so spielt, ist mit den Mechanismen der Motivation nicht richtig vertraut. Wenn man weiß, wie das Motivieren tatsächlich funktioniert, kann man gezielt für motivierte Arbeitnehmer sorgen. Mark Twain hat am Beispiel seiner Roman-Figur Tom Sawyer einmal sehr schön das Wesen von Motivation verdeutlicht: Tom wird von seiner Tante Polly dazu verdonnert, den Zaun zu streichen. Es ist ein heißer Sommertag, alle Kinder wollen im Fluss schwimmen gehen, nur Tom muss diesen verflixten Zaun streichen. Aber er hat einen Geistesblitz. Als sein Freund Ben vorbeikommt, um ihn zum Schwimmengehen zu überreden, da stellt sich Tom taub und gibt vor, sich völlig der Arbeit zu widmen. Er trägt Farbe auf, geht zwei Schritte zurück, begutachtet das Werk, macht weiter und sagt seinem Freund, dass er jeden Tag schwimmen gehen könne, der Zaun würde aber nur jedes Jahr einmal gestrichen. Und überhaupt, das könne nicht jeder. Ben ist beeindruckt. Er möchte auch streichen und bietet Tom dafür seinen Apfel an. Tom zögert, als ob er sich ungern von seiner Tätigkeit abbringen ließe, aber als guter Freund, der er nun mal ist, lässt er Ben gewähren und setzt sich in den Schatten, isst den Apfel und schaut zu, wie Ben die nächsten Latten streicht. Dann kommt Billy mit seinem Drachen, dann Jonny und danach viele andere Kinder. Alle wollen streichen. Am Ende des Tages hat nicht nur der Zaun neue Farbe, sondern Tom viele Kostbarkeiten wie Drachen, tote Ratten, Murmeln und andere Schätze. Er hat das Wesen der Motivation kongenial umgesetzt und nichts als Verstand und Kreativität dabei benutzt. Und natürlich das Wissen um das, was Menschen motiviert. Er hat eine Beschäftigung, die als öde und langweilig gilt, in ein neues Licht gestellt, sie attraktiv und herausfordernd gemacht. In der Psychologie nennt man dies Reframing. Man gibt einem Ereignis oder einem Verhalten einen neuen Rahmen,[2] und dadurch verändert sich die Einstellung der Beteiligten. Wer also eine Ausbildung als ganzheitliche kognitive Herausforderung darstellen kann und alle Bedingungen dafür bereithält, der kann sich darauf verlassen, dass sich die Motivation der Auszubildenden von selbst einstellt.

So gelingt das Motivieren:

  • Demotivation abstellen: Motivation kann man nicht von oben verordnen, aber sehr gut fördern. Vorgesetzte müssen gar nicht viel anstellen, um motivierte Mitarbeiter zu erhalten. Im Gegenteil. Oftmals reicht es, wenn sie einiges abstellen. Viele Vorgesetzte nutzen nicht das Potenzial, das ihre Mitarbeiter ihnen zur Verfügung stellen könnten, indem sie z. B. einen Umgangston pflegen, der Mitarbeiter ausbremst und demotiviert.
  • Richtiges Feedback geben Zu dieser demotivierenden Umgangsform gehört zum Beispiel der Verzicht auf Lob. Für viele Chefs und Chefinnen gilt der Spruch: "Wenn ich nicht tadele, ist das genug gelobt." Das ist zwar durch das Recht auf Meinungsäußerung gedeckt, ist aber grundfalsch. Wer zur rechten Zeit lobt und anerkennt, der fördert die Leistung. Wer nicht lobt, bekommt maximal Dienst nach Vorschrift. Prinzipiell ist eine klare Feedback-Kultur motivationsfördernd. Klare Kritik, die sachlich, zeitnah und lösungsorientiert ist, hilft Fehler zu vermeiden und Konflikte zu lösen. Verschleppte, unsachliche Kritik und Beleidigungen schaffen ein Klima des Misstrauens und lassen die Leistungsbereitschaft der Belegschaft in den Keller sinken.
  • Verantwortung übertragen Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Motivation nachhaltig positiv verändert, ist das Übertragen von Verantwortung. Wer einen Bereich erhält, in dem er eigenverantwortlich verschiedene Arbeitsansätze ausprobieren und die Effekte seines Tuns beobachten kann, ist motiviert und will mehr schaffen.
  • Auf den Informationsfluss achten Zur Logistik eines Unternehmens gehört nicht nur der Gütertransport, sondern auch der Austausch von Informationen. Kommen diese Informationen zur rechten Zeit dort an, wo sie gebraucht werden? Viele Mitarbeiter klagen über mangelnde Information, was zur Folge hat, dass manche Arbeitsschritte nur unvollkommen erledigt werden können. Wer genau weiß, was wann wie zu erledigen ist und womit es zu tun hat, der kann seine Arbeit unbelastet erledigen.
  • Vertrauen schaffen Eine andere Meinung anzuhören heißt noch nicht, sie zu seiner eigenen zu machen. Wer aber zuhört, gewinnt Vertrauen. Und wer seine Schritte und Entscheidungen kommuniziert, schafft Transparenz, was wiederum Vertrauen fördert.
  • Unterforderung erkennen und bekämpfen Sicher gehören monotone und lästige Aufgaben zum Berufsleben dazu. Aber ein Auszubildender, der in den ersten Monaten hauptsächlich monotone Arbeiten verrichten muss, wird über kurz oder lang seine Motivation verlieren. Wenn er aber die Gelegenheit hat, seinen Grips anzustrengen und seine Fähigkeiten auszuloten, bleibt er von selbst "am Ball" und verlangt immer mehr Lernstoff. Gepaart mit Verantwortungsübergabe und Feedback kann das die natürliche Neugier des Auszubildenden bis zum Schluss erhalten.

Dies sind nur wenige Faktoren, die die Motivation fördern können. Als Ausbildungsbegleitende haben wir es mit vielen Auszubildenden zu tun, die motiviert begonnen haben und durch einen ungünstigen Verlauf ihrer Ausbildung demotiviert wurden. Wir haben festgestellt, dass diese Demotivationen schleichend und unbewusst passiert sind. Niemand hat sie geplant oder initiiert. Aber oftmals sind Führungskräfte mit anderen Dingen beschäftigt und sehen nicht das, was dort passiert, wo sie nicht sind.

Wenn Sie das Gefühl haben, mit der Motivation ihrer Auszubildenden ist etwas nicht in Ordnung, dann helfen wir von QuABB gerne.

[1] Deci, E. L. (1971): Effects of externally mediated rewards on intrinsic motivation. In: Journal of Personality and Social Psychology, H. 18, S. 105-11.

[2] Bandler, Richard/Grinder, John 1985): Reframing. Ein ökologischer Ansatz in der Psychotherapie (NLP). Paderborn.