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#QuABBfragt: Interview mit Professor Dr. Benno Hafeneger, Psychologe, Jugendexperte und Erziehungswissenschaftler
"Ich favorisiere ein positives Jugendbild, das mit Bildung, Zutrauen und Optimismus verbunden ist."
Nach dem Vortrag von Professor Hafeneger beim diesjährigen Berufswegetag des Landkreises Offenbach in Dietzenbach brandet Applaus auf. Hafeneger ist langjährig erfahrener Jugend- und Erziehungsexperte und hat hier eine engagierte Rede gehalten. Im Mittelpunkt: jugendliches Erleben in Anbetracht gesellschaftlicher Krisenlagen. Unter den Zuhörenden sind eine Vielzahl pädagogischer Fachkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und Jugendhelfer*innen. Auch das QuABB-Team im Landkreis Offenbach ist vor Ort. Wir konnten dem Erziehungswissenschaftler fünf Fragen rund um die Hörbarkeit von Jugendlichen in der Gesellschaft, aber auch zu den Unterstützungsmöglichkeiten durch Ausbildungsverantwortliche und Lehrkräfte stellen.
QuABB: Welche besonderen Herausforderungen erleben Jugendliche heute?
Professor Hafeneger: Jugendliche leben in einer Zeit der "Polykrisen" und Transformationsprozesse mit ungewissem Ausgang. Das stellt sie vor enorme Herausforderungen und Bewältigungsaufgaben. Der Klimawandel und Kriege gehören ebenso dazu wie die Themen soziale Ungleichheit, Migrationsbewegungen, die Gefährdung der Demokratie und insbesondere auch Transformationen in der Arbeitswelt. Hinzu kommen so wichtige Fragen wie die aktuelle Wohnungsnot und die steigenden Lebenshaltungskosten. Jede Jugend hat und erlebt zwar ihre Zeit, in die sie mit ihren jeweiligen Herausforderungen hineingeboren wird. Die heutige junge Generation unterscheidet sich jedoch von den vorherigen Generationen in der Geschichte der Bundesrepublik, da sie eine Vielzahl von Krisen und neuen Normalitäten erlebt.
Welche Tipps geben Sie Jugendlichen, um mit diesen Herausforderungen umzugehen?
Es sind vor allem drei Tipps: Seien Sie selbstbewusst und kritisch und fallen Sie nicht auf Fake News, einfache Antworten und extreme Ideologien herein. Dann: Es lohnt sich zu lernen, sich zu bilden, seinen Weg der beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Integration zu gehen. Und schließlich: Mischen Sie in der Schule, in Ihrer Ausbildung und in der Zivilgesellschaft und auch der Politik mit – es lohnt sich auf jeden Fall!
Wie wirkt sich Corona auf die davon betroffenen Jugendlichen bis heute noch aus?
Neben den medizinischen gibt es auch psycho-soziale und entwicklungsbezogene Langzeitwirkungen. Es fehlen kommunikative und soziale Erfahrungen, die nicht mehr nachgeholt werden können. Es gibt auch Hinweise zu Entwicklungsverzögerungen und zu schulischen Leistungsabfällen. Es mehren sich außerdem Zeichen zu Einsamkeitserfahrungen bei Jugendlichen, die schon vorher wenig Kontakte hatten und eingebunden waren. Und: Studien zeigen, dass es bei Jugendlichen die folgenreiche Erfahrung gibt, zu den Maßnahmen nicht gefragt und nicht ernst genommen worden zu sein.
Werden denn Jugendliche und ihre Anliegen in der Gesellschaft nicht ausreichend "gehört"?
Hier haben wir eine gespaltene Situation: Einerseits gibt es wiederholt politische und gesellschaftliche Appelle an die junge Generation, sich zu engagieren, sich einzumischen. Und es gibt auch viele Formen – vom Kinderparlament über Jugendbeiräte, die Mitwirkung in Schule und Ausbildung bis hin zu selbstorganisierten Initiativen und Protestformen. Andererseits fehlt aber der Wille, die Jugendlichen als "Akteure ihrer Zukunft" in allen Zukunftsfragen wirklich und ernsthaft anzuhören, zu Wort kommen zu lassen; im Blick zu haben, dass es um ihre Zukunft geht, über die heute entschieden wird. Hier wäre ein neuer "Generationenvertrag" wünschenswert.
Abschließend: Wie können Ausbildungsverantwortliche und Lehrkräfte Jugendliche im Rahmen der Ausbildung besser unterstützen?
Es gibt eine problematische Tradition im Generationenverhältnis. Zu vermeiden ist ein negatives Reden über Jugend und negative Jugendbilder, die mit Vorwurfshaltungen verbunden sind. Dies wurde und wird wiederholt in der Gesellschaft und den Medien gemalt. Es ist vielmehr wichtig, die Jugendlichen in ihrer individuellen, beruflichen und sozialen Entwicklung so zu begleiten und zu fördern, dass ihre Integration in das berufliche und gesellschaftliche Leben gelingt. Wir sollten ihnen als "interessante Erwachsene" solche kommunikativen – auch streitbaren – Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, die in guter, und vielleicht sogar prägender Erinnerung, bleiben. Kurzum: Bei allen Differenzierungen von Jugend, die es gibt, favorisiere ich ein positives Jugendbild, das mit Bildung, Zutrauen und Optimismus verbunden ist!
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte der QuABB-Ausbildungsbegleiter Miguel Escosa Jung.